Achtsamkeit

Achtsamkeit – Die Lichtung für unseren Geist

„Muss ich beim Waldbaden Bäume umarmen?“ Diese skeptische Frage bekomme ich häufig zu hören. Meine Antwort lautet: „Du kannst das tun, musst es aber nicht“.

Die verborgenen Kräfte der Natur offenbaren sich denjenigen, die entspannt, offen und wachsam sind. Der Geist ist zugleich klar und feinfühlig. Der Begriff, der diesen besonderen Geisteszustand am besten trifft, ist Achtsamkeit. Dieser natürlichen, in uns Menschen angelegten Fähigkeit lohnt essich wieder zu besinnen. Viele Menschen gehen zwar gerne in den Wald, jedoch dient er lediglich als Kulisse für andere Aktivitäten: sie wollen Wissen ansammeln, wandern und Sport treiben. Sie befassen sich immer weniger mit dem, was die Natur und ihre Symbole in ihnen auslösen. Die absichtsvolle Lenkung der Aufmerksamkeit führt Menschen weg von der Zweckorientierung, hin zu Empfindungsfähigkeit und Akzeptanz.

Achtsamkeit beruht auf einer grundsätzlichen Veränderung der Haltung. Es bedeutet die Bereitschaft, in der Gegenwart, frei von Bewertung, im bewussten Kontakt mit sich selbst und seiner Umgebung zu sein. Der amerikanische Schriftsteller und Philosoph Henry David Thoreau, der sich um 1845 dem einfachen Leben widmete und einige Jahre in einer selbstgebauten Blockhütte im Wald lebte, schrieb: „Was soll ich im Wald, wenn ich an etwas denke, das nicht im Wald ist?“

Achtsamkeit stellt kein neues Konzept dar. Es findet sich seit Anfang des 20. Jahrhunderts in therapeutischen Praktiken, in spirituellen und philosophischen Traditionen als Übungsweg gegen Leistungsdruck, Überforderung, Zeitmangel, Beschleunigung, Reizüberflutung, Sucht und Entfremdung.

Das achtsame Verweilen im Wald kann dazu führen, sich zu entspannen, zu erholen und weiterzuentwickeln. Bei einer Heilwanderung erfahren wir dies am einfachsten, indem wir uns ganz auf die sinnliche Wahrnehmung konzentrieren: wir sehen, lauschen, riechen, schmecken, berühren oder tasten. Wir bewegen uns dabei ohne Erwartungen, ohne Vorurteile, mit Entdeckerfreude durch den Wald. Wir halten inne, sind präsent und betrachten den Raum zwischen der komplexen Wechselwirkung von Gedanken, Gefühlen, Handlungen oder Reaktionen. So können wir uns für Alternativen entscheiden oder diese ausprobieren.

Es kann sich zunächst seltsam anfühlen, seinem intuitiven Tun, ohne bestimmtes Ziel freien Lauf zu lassen. Achtsamkeitsübungen schaffen jedoch eine Win-win-Situation: die Naturerfahrung hilft der Achtsamkeit, und die Achtsamkeit der Natur.

Achtsamkeit ist für unser Bewusstsein das, was eine Lichtung für den Wald ist. Sie hilft uns, unsere innere Lichtung zu finden.

Bleib also achtsam mit Dir und Deiner Welt. Sei einfach nur da. Für diesen Moment.